Noch vor wenigen Jahren wäre die Intuition in der Management-Literatur ein NoGo! gewesen. Doch inzwischen hat sie sich etabliert. Sie gilt unter anderem als ein sehr probates Mittel der Wahl, um Komplexität zu bewältigen.
Die Überlegung dazu ist einleuchtend: Dank seiner x-fach höheren Verarbeitungskapazität ist das Unbewusste viel besser in der Lage, Komplexität zu bewältigen, als das Bewusstsein. Zugleich greift es auf den lebenslang aufgebauten Wissens- und Erfahrungsschatz des Gehirns zurück und gibt uns auf dieser Basis Entscheidungsimpulse.
Intuition muss man lernen
Die Argumentation ist bestechend. Doch ganz ohne Einschränkung ist die Intuition nicht zu empfehlen. „Die wichtigste Voraussetzung für gutes intuitives Entscheiden ist für den relevanten Kontext spezifische Erfahrung“, sagt der Psychologe Gerd Gigerenzer, der sich als Intuitions-Forscher am Max-Planck-Institut einen Namen gemacht hat. Entscheider, die oberflächlich informiert sind, laufen Gefahr, vom Unbewussten mit oberflächlichen Antworten abgespeist zu werden.
Ein denkbares und von Gigerenzer erprobtes Szenario sieht demgegenüber so aus:
Bei einer Personalentscheidung lesen vier oder fünf erfahrene Assistenten die vorliegenden Bewerbungsmappen und wählen ihren Favoriten aus. Sie tun dies rein auf Basis ihrer Intuition und ohne Begründung. Die Impulse lauten „gut/schlecht“ oder „richtig/falsch“. Ein „mittelgut“ oder „geht so“ gibt es nicht.
Im zweiten Schritt wählt der Direktor einen Kandidaten aus der Auswahl – nicht weil er klüger ist. Vielmehr lehrt die Erfahrung, dass die Assistenten ihre Wahl immer begründen würden, wenn sie selbst entscheiden müssten. Dieser vorauseilende Rechtfertigungsmechanismus ist so tief verwurzelt, dass er sich nicht ausschalten lässt. Doch bei einer intuitiven Entscheidung ist er fehl am Platz.
Alternative: Big Data
Intuitive Entscheidungen setzen auf Mustererkennung. Gleiches gilt für eine maschinelle Entscheidung auf Basis von Big Data. Sie nutzt das gleiche Schema und ist eine Alternative, die Komplexität zu meistern.
Maschinelle Personalentscheidungen? Der Gedanke stößt im ersten Moment ab. Doch Organisationsexperten wie Heinz Peter Wallner trauen der Methode eine Menge zu. Die Maschinen werten etwa aus, was die Kandidaten studiert und wo sie gearbeitet haben. Die Ergebnisse gleichen Sie mit Erfahrungen inhouse ab und bauen darauf ihre Entscheidung auf.
Gesunde Skepsis wahren
Beide Methoden sind aussichtsreich, jedoch nicht hundertprozentig sicher. Gigerenzer sieht einen Vorteil in der Intuition darin, dass es ein Bewusstsein über mögliche Fehler gibt. Demgegenüber suggerieren maschinelle Entscheidungen etwas Unfehlbares. Was bleibt ist die Herausforderung, der Intuition zu trauen. Der Gewinn der intuitiven Entscheidung lautet: weniger Stress.
Gigerenzer weist auf eine weitere Einschränkung hin: Tests zeigen, dass die Intuition versagt, wenn es um die Zukunft geht. Das Problem ist: Die Intuition greift auf bekannte Muster und Erfahrungen zurück. Diese geben jedoch keine Antwort darauf, wie sich der Markt entwickeln wird oder was den Wettbewerb in zehn Jahren bestimmt. Erfahrenen Experten steht ihre Erfahrung regelrecht im Weg. Wenn es um die Zukunft geht, lohnt es sich, die Einschätzung unerfahrener Personen zu erfragen – zumindest um die eigenen Ergebnisse zu testen.