Lieben Sie die Bühne?
Es ist ein ganz normaler Arbeitstag, mitten in der Woche, für eine ganz normale Führungskraft im oberen Management. In einer dreiviertel Stunde geht es auf die Bühne. Das Thema: „Was wir bisher erreicht haben und wohin es in Zukunft geht“. Schnell noch zwei Dinge mit der Assistentin klären, eine Mail beantworten und zwei kurze Telefonate führen – und dann raus. Business as usual. Alles normal. Die ersten Kollegen und Mitarbeiter sind schon da. Am Ende werden es an die 100 sein. Gleich geht‘s los.
Das Archaische in der digitalen Welt
Unsere Führungskraft hat ihre Hausaufgaben gemacht und ist gut vorbereitet. Die Eile vor ihrem Auftritt hat ihr allerdings nicht gut getan. Sie hätte zwei, drei Atemzüge nehmen und sich konzentrieren sollen. Denn nun, als sie Luft holt, um die ersten Worte zu sprechen, verändert sich etwas. Es lässt sich kaum greifen. Eben noch im Büro war sie voll und ganz bei sich – stark und souverän. Jetzt wechselt der Ausdruck in ihrem Gesicht. Die Schultern sinken minimal nach vorne. Die Haltung ist eine Spur angespannt. Es ist kaum merklich, aber für jeden spürbar: Da fühlt sich einer unwohl.
Wird er die Kollegen und Mitarbeiter so begeistern und überzeugen können?
Noch bevor die Führungskraft ein Wort gesagt hat, hat sie eine Botschaft übermittelt: „Ich wäre gerne anderswo“. So menschlich die Regung ist, so fatal ist die Folge: An wem sollen sich Mitarbeiter orientieren, wenn ihre Führungskraft am liebsten anderswo sein möchte?
Die digitale Welt mit ihren vielen Veränderungen fordert uns alle, auch die Mitarbeiter.
Gerade in agilen Organisationen erleben Mitarbeiter, wie vertraute Strukturen in rasendem Tempo aufgebrochen werden. Sie müssen mit einem geringeren Grad an Sicherheit zurecht kommen und zugleich mehr Eigenverantwortung tragen.
In einer Welt im Umbruch ist die Führungskraft ein Leuchtturm, ein Orientierungspunkt. Manche sprechen sogar von einem Rudelführer. Der steinzeitliche Begriff ist weniger weit hergeholt, als es klingt. In unserem Wesenskern ticken noch immer unsere Vorfahren. Wenn die Umwelt unsicher und bedrohlich erscheint, orientieren wir uns an dem, der Mut hat, sich vorne hinstellt und uns mit fester Stimme sagt, wie es weiter geht. So einer sorgt für das Überleben und die Sicherheit. So einer überzeugt uns.
Begeistern - Überzeugen - Verbindung herstellen
Wenn Führungskräfte diese Zusammenhänge ignorieren und nicht trainiert sind, neigen sie zu einer irritierenden Körpersprache: Sie falten die Hände vor dem Körper, halten die Hände in der Tasche oder fassen sich an die Nase. Frauen legen häufig den Kopf schief und machen sich harmlos.
Auch hier grüßt der Steinzeitmensch in uns: Der Platz vorne auf der Bühne, ganz alleine, ist unsicher. Im Rudel dagegen ist es sicher. Viele sind überrascht, wenn sie sich erstmals auf einem Video sehen und erkennen, wie stark diese Muster wirken. Allerdings hat es wenig Sinn, die Körpersprache isoliert von allem anderen verbessern zu wollen. Der Körper lügt nicht.
Es kommt darauf an, das Denken zu verändern.
Wenn wir unser Denken verändern, dann ergibt sich der Rest fast von alleine, denn der Körper folgt dem Kopf. Wenn schließlich Körpersprache und gesprochenes Wort synchron sind, wirken wir als Führungspersönlichkeit überzeugend.
Empfehlungen für einen kraftvollen Auftritt
Wie gelingt die Veränderung? „Keiner beginnt bei Null. In unseren Trainings schauen wir uns an, was bereits gut funktioniert und was wir verstärken können. Wir geben theoretischen Input und üben praktische Situationen im Berufsalltag“, berichtet Ulla Wiegand von CHANGE 4 SUCCESS. Also doch Theorie und Know-How zur Körpersprache? „Ja“, erklärt die Trainerin, „als Ergänzung. Wenn wir für etwas sensibilisiert sind, können wir darauf achten und es verändern. Wir können es üben, bis es zur Gewohnheit wird.“
Fangen Sie an: 7 Empfehlungen für einen starken, überzeugenden Auftritt
- Betont sprechen.
- Die Füße hüftbreit stellen.
- Die Hände in den Hüften anwinkeln.
- Die Handinnenflächen sollten tendenziell sichtbar sind. Offene Hände wirken verbindend.
- Den Augenkontakt zu den Zuhörern suchen.
- Für Frauen: den Kopf gerade halten. Für Männer. Bitte die Hände nicht vor dem Körper falten.
- Nicht hinter dem Rednerpult verstecken: Zeigen Sie sich - sein Sie offen und transparent
Auch im digitalen Zeitalter werden Menschen von Menschen bewegt. Oder gerade jetzt. Es gehört eine Portion Mut dazu, auf die Bühne zu treten. Doch es lohnt sich: Nichts anderes offenbart die Haltung zur Umwelt auf so direkte Weise. Sich mit der Bühne vertraut zu machen, verändert die Kommunikation auf grundsätzliche Weise, weil die Auseinandersetzung mit der inneren Haltung immer einen entscheidenden Anteil hat.
Bühnenpräsenz ist eine Schlüsselkompetenz für Führungskräfte in der Digitalen Transformation.
Ulla Wiegand war lange im Führungskreis eines internationalen PR-Netzwerks tätig, dessen Arbeitsschwerpunkt PR für Führungspersönlichkeiten ist. Sie hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Coach, Trainerin und Supervisorin.
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Leadership Communication, denn je technischer das Umfeld, desto mehr zählt das Persönliche: „Menschen werden immer noch von Menschen bewegt“, sagt Ulla Wiegand. „Das gelingt um so besser, je glaubwürdiger die Persönlichkeit ist, wirkt und kommuniziert.“