Weshalb ein spielerischer Zugang zum Alltag erfolgreicher, zufriedener und gesünder macht
Im Sommer 2009 stieß sich Jane McGonigal ordentlich den Kopf. Die Entwicklerin für Computerspiele erlitt eine Gehirnerschütterung. Anders als erhofft, ließen die Beschwerden nicht nach. Noch Wochen später litt sie unter starken Kopfschmerzen und fühlte sich benebelt. Die Ärzte rieten ihr zu absoluter Ruhe und Schonung.
Derart stillgestellt geriet Jane McGonigal in einen emotionalen Strudel, der sie immer weiter in Richtung Depression führte. Sie wurde ängstlich und unglücklich. Nach 34 Tagen hatte sie genug: „Entweder ich bringe mich um oder ich mache ein Spiel daraus“, dachte sie sich. Sie besann sich auf das, was sie wirklich gut konnte, und gestaltete ihr Leben als Spiel:
- Sie identifizierte die „Bösewichte“ ihres Alltags, also alles, was ihr Ängste und Schmerzen bereitete, Stress auslöste oder negative Gedanken ins Rollen brachte.
- Sie überlegte, was ihr im Kampf gegen die Bösewichte Kraft geben könnte, wie zum Beispiel ein Spaziergang oder fünf Minuten mit dem Hund zu spielen.
- Sie suchte sich „Verbündete“ wie ihre Zwillingsschwester, die ihr Mut machte und ihr Ziele vorgeben konnte.
- Und schließlich setzte sie sich selbst Ziele, wie ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen oder Plätzchen backen – was in ihrem Zustand eine Herausforderung war.
Das Spiel gab ihrem Alltag Struktur und sie gewann nach und nach die Kontrolle zurück. Sie bewältigte die selbst gesteckten Ziele und traute sich immer mehr zu. Die depressiven Symptome ließen nach.
Im Spiel trainieren wir unser besseres Ich
„Gamification“ ist schon lange Trend. Der Begriff steht dafür, die Mechanismen des Spiels auf eine andere Umgebung zu übertragen. Auch in der Psychologie hat man die Chancen entdeckt und erforscht die Wirkungsmechanismen. Jane McGonigal schätzt die Wirkung des Spielens so ein:
- Beim Spielen lernen wir, unsere Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Deshalb können wir Gedanken und Gefühle besser steuern.
- Im Spiel gehen wir Herausforderungen kreativer, entschlossener und optimistischer an.
- Kleine Erfolge schenken dem Spieler Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie stärken sein Selbstwirksamkeitsempfinden.
- Wenn Spieler scheitern, stehen sie wieder auf und machen weiter.
Das Spiel scheint genau die Eigenschaften eines innerlich starken und resilienten Menschen zu fördern. „Sie sind eine Anleitung dafür, wie wir die beste Version unserer selbst werden können“, sagt Jane McGonigal.
Spielen wirkt. Wissenschaftlich bestätigt.
Menschen können psychisch und physisch vom Spielen profitieren: So viel wurde in mehreren wissenschaftlichen Studien bereits bestätigt. Auch das „SuperBetter“-Konzept von McGonigal wurde wissenschaftlich geprüft: Im Rahmen einer Studie der University of Pennsylvania testeten Wissenschaftler depressive Patienten. Eine Gruppe wurde konventionell mit Antidepressiva und Psychotherapie behandelt. Die zweite Gruppe durfte zusätzlich täglich zehn Minuten spielen.
Die spielenden Patienten zeigten nach einem Monat deutlich weniger Anzeichen von Depressionen und Angststörungen. Sie waren zufriedener, hatten eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung und fühlten sich von ihrer Umgebung besser unterstützt als die erste Gruppe.
Trauen Sie sich zu spielen!
Profitieren alle gleichermaßen? Nein. Die Wirkung des Spielens hängt vom Persönlichkeitstypus ab. Manche Menschen haben eine ausgeprägte spielerische Ader, andere weniger. Auch wie sich das spielerische Gen zeigt, ist unterschiedlich: Einige improvisieren gerne. Andere mögen Knobelaufgaben und betrachten Aufgaben von verschiedenen Seiten. Dritte haben einen schrägen Humor und nehmen in ihrem Alltag amüsante Ereignisse wahr.
Den spielenden Charakteren gemeinsam ist eine höhere Lebenszufriedenheit sowie ein gesünderer und aktiverer Lebensstil. Sie sind erfolgreicher, was sich zum Beispiel in besseren Noten im Examen und mehr Erfolg im Beruf ablesen lässt. Auch sind sie leichtherziger im Umgang mit schwierigen Situationen.
Höchste Zeit also, dem Spielerischen und dem Humor die Anmutung des Unprofessionellen zu nehmen: Wer spielt, hat mehr vom Leben!