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Hierarchie - zeitgemäß oder old school?
CHANGE 4 SUCCESS | Change Management Training Coaching Mediation
Die Frage nach der Hierarchischer Führung - oder auch "Weisung & Kontrolle" - ist eng mit dem Reifegrad, der gestalterischen Kompetenz und der Fähigkeit zur Selbstverantwortung von Mitarbeitern und Teams verknüpft.
Brauchen Unternehmen eine Hierarchie? Die Zeitschrift managerSeminare hat mit dem Meinungsmonitor mS233 die Stimmung der Leser eingefangen. Eine deutliche Mehrheit spricht sich dabei für Hierarchien aus. Beim Abbau befürchten die Befragten einen Verlust an Ordnung. Sie fürchten Machtkämpfe und das Aufkommen informeller Hierarchien.
Die Ergebnisse im Detail
- 84 Prozent glauben, dass Unternehmen formale Hierarchien brauchen.
- 63 Prozent glauben, dass Hierarchien am besten Rollenklarheit schafft.
Für den Abbau formaler Hierarchien spricht:
- Sie bremsen Innovationen.
- Sie fördern Mikropolitik und sachfremdes Handeln.
- Sie zementieren Kultur und Mindset.
- Sie bringen die falschen Leute nach vorne.
- Sie schaffen Ungleichheit und Unzufriedenheit.
Gegen den Abbau von Hierarchien spricht:
- Ordnung und Zusammenhalt gehen verloren.
- Informelle Hierarchien ersetzen die formalen.
- Machtkämpfe und Kompetenzstreit nehmen zu.
- Die persönliche Belastung der Mitarbeiter steigt.
- Die Entscheidungsprozesse werden ineffizient.
- Insgesamt wollen nur etwas mehr als die Hälfte in einer Nicht-Hierarchie arbeiten, nämlich 55 Prozent.
Nie wieder flache Hierarchien – bekennt eine 31-Jährige !?!
Nun mag man einwenden, dass von den Lesern der managerSeminare schwerlich ein anderes Ergebnis zu erwarten ist. Die Zeitschrift richtet sich vornehmlich an Weiterbildungsanbieter, Personalentwickler, Geschäftsführer und Führungskräfte.
Umso spannender ist die Geschichte von Raffaela Rein. Die 31-Jährige ist Gründerin eines Start-up-Unternehmens und sagt: „Mit flachen Hierarchien zerstörte ich fast mein Start-up“.
Das Unternehmen, die CareerFoundry, ist eine Online-Schule mit Kursen rund um Programmierung und Design. Die Gründer wollten und mussten sich als zeitgemäßes Unternehmen präsentieren, um geeignete Mitarbeiter zu finden. Auf Anraten von Experten entschieden sie sich für ein radikales Konzept: Sie entwarfen eine extrem flache Organisation ohne jede Hierarchie, sogar ohne Teamleiter. Für die Mitarbeiter wurden pro Quartal Ziele vereinbart. Außerdem wurde in zweiwöchentlichen Sprints gearbeitet - mit Daily Stand-Up-Meetings und Retrospektiven nach den Sprints.
Das Konzept funktionierte gut, so lange der Mitarbeiterstamm sehr klein war und die Belegschaft 20 Personen nicht überstieg. Plötzlich jedoch setzte Wachstum ein und der Mitarbeiterstamm wuchs auf das Doppelte. Neue Prozesse hätten definiert werden müssen – doch niemand übernahm diese Aufgabe. Der Typ Mensch hat gefehlt, kommentiert Raffaela Rein heute.
Ab da wuchsen die Probleme: Konstruktives gegenseitiges Feedback blieb aus. Fehler passierten, doch es folgten keine Konsequenzen und niemand sprach darüber.
Nach sechs Monaten kam es zu ersten hitzigen Debatten über die Sinnhaftigkeit des Konzepts. Doch noch schien es zu früh, ein abschließendes Urteil zu fällen. Dies erwies sich als Fehler: Noch einmal sechs Monate später verzeichnete das Unternehmen einen extrem hohen Krankenstand. Seine Ziele konnte es nicht mehr erreichen.
Ein Fünftel der Mitarbeiter musste entlassen werden!
Im Rückblick stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter mit der Verantwortung überfordert waren. Niemand traute sich aus der Reihe heraus und war bereit, ein Risiko zu tragen.
Die Hierarchie war die Rettung
Der Turnaround gelang, als erfahrene Mitarbeiter eine Führungsrolle übernahmen. Hierarchien gelten als uncool und niemand wollte sich dazu bekennen, einen Chef haben zu wollen. Doch als es so weit war, reagierten die Mitarbeiter erleichtert. Inzwischen ist das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs.
Für die junge Unternehmerin waren die Entlassungen mit Sicherheit ein Schock. Von hierarchiefreien Konzepten will sie heute nichts mehr wissen. Doch wir glauben, dass hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Die Story erzählt etwas davon, woran flache Hierarchien scheitern können:
- an mangelndem Verantwortungsbewusstsein: Tun, was man mag, statt tun, was notwendig ist.
- am fehlenden Selbstbewusstsein: Aus der Reihe treten, Risiko tragen und möglicherweise einen Fehler mit Tragweite begehen.
- am Unwillen, Führung zu übernehmen – auch zeit- oder projektweise.
- an der Angst vor Konflikten – und dem Unbehagen an Feedback und Diskussionen über Misserfolge.
- an der falschen Zusammensetzung des Mitarbeiterstamms: Niemand wollte die Prozesse definieren. Vielleicht konnte dies auch niemand. Die Frage muss an dieser Stelle offen bleiben.
In dieser Mischung blieben wichtige Aufgaben ungelöst.
Unser Fazit
So viel ist sicher: Flache Hierarchien erhöhen die Anforderungen an die Mitarbeiter. Unternehmen, die sich für einen Abbau der Hierarchie entscheiden, sind gut beraten, eine Transformationsphase einzuplanen - die Kompetenz zur Selbstorganisation & Selbstverantwortung will entwickelt und erprobt werden.
Doch auch wenn die Transformation gelingt und abgeschlossen ist, kommt es auf die Mitarbeiter an, wie ein Bericht von Christina Wawarte / CapGemini zeigt: Sie vergleicht zwei Unternehmen aus dem Maschinenbau.
Das erste Unternehmen arbeitet mit zwei Führungsebenen. Die zweite Führungsebene bildet zusammen mit den Mitarbeitern temporäre und autonome Teams. Es gilt das Motto: „Collaborate early and often.“ Gemäß dem Motto werden kurzfristig Teams gebildet, anstatt formale Organisationseinheiten einzurichten.
Die Teams handeln autonom mit klar definierten Entscheidungsbefugnissen. Werden die Teams zu groß, werden sie aufgeteilt. Zu den positiven Ergebnissen zählen flexible Strukturen, Vorbeugen von Redundanzen, ein schlankes mittleres Management, eine Start-up-ähnliche Atmosphäre und genügend Agilität, um schnell reagieren zu können.
Das zweite Unternehmen hat sich für eine radikale Lösung entschieden: Formale Hierarchien gibt es nicht mehr. Management-Aufgaben werden von der gesamten Organisation übernommen. Wichtig dafür ist Transparenz über Rollen, Verantwortung und Projekte.
Die Mitarbeiter übernehmen Aufgaben in Übereinstimmung mit ihren Aufgaben. Wichtig für das Gelingen ist besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Mitarbeiter. Gesucht sind Persönlichkeiten, die mit dem losen Führungssystem zurechtkommen.
Gerade Letzteres korrespondiert mit der Erfahrung der jungen Unternehmerin Raffaela Rein weiter oben: Der Grad, in dem Hierarchien abgebaut werden können, hängt von der Reife der Mitarbeiter ab.
In der Praxis beobachten wir beides: Teams, die können, aber nicht dürfen. Und Teams, die sollen, aber nicht können. Vorsicht also vor pauschalen Empfehlungen: Zum erfolgreichen Abbau von Hierarchien gehören die persönliche und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter.
Quellen:
- Brauchen Unternehmen Hierarchie? Ergebnisse des MeinungsMonitors mS233, managerSeminare, Heft 236, November 2017
- "Mit flachen Hierarchien zerstörte ich fast mein Start-up", Raffaela Rein, manager magazin, 31.7.2018, http://www.manager-magazin.de/digitales/it/new-work-flache-hierarchien-zerstoerten-fast-mein-start-up-a-1220996.html
- Flache Hierarchien - Mythos oder Realität? Capgemini, 5. Juli 2018
- https://www.capgemini.com/de-de/2018/07/flache-hierarchien/
Literatur-Tipps:
- Wir sind Chef! Wie eine unsichtbare Revolution Unternehmen verändert. 2016. Hermann Arnold, Haufe Verlag, Freiburg
- Der Bienen-Hirte. Über das Führen von selbstorganisierten Teams. 2016. Rini van Solingen, dpunkt.verlag, Heidelberg