Weshalb alle gewinnen, wenn Führungskräfte einen Schritt zurück dürfen
Von einer Führungsposition zurücktreten – Gründe dafür gibt es viele: die Entscheidung für diese Position hat sich als falsch erwiesen; die Führungskraft fühlt sich überfordert oder umgekehrt: nach Jahren beginnt sie, sich zu langweilen; die Aufgaben haben sich verändert oder das persönliche Umfeld. Oder oder oder.
Stand heute ist die Entscheidung für einen solchen Schritt meist unfreiwillig. Die Initiative geht von einem Vorgesetzten aus. Doch das sollte sich ändern.
Mehr Offenheit für alternative Karrierepfade
Die falsche Person am falschen Platz ist eine Belastung für alle Beteiligten – inklusive der Führungskraft selbst. Von einer Veränderung können alle profitieren:
- Führungskräfte werden davon befreit, sich für eine Position aufzureiben, zu der sie nicht mehr wirklich stehen.
- Das Unternehmen gewinnt die Chance, die Position mit einer Person zu besetzen, die besser geeignet ist. Zugleich kann sie der zurückgetretenen Führungskraft eine Position anbieten, auf der sie ihre Kompetenzen optimal einbringen kann.
- Auch für die Teams ist solch ein Wechsel oft besser: Eine Führungskraft, die ihre Position voll und ganz bejaht, handelt engagierter.
- Flexible Karrierewege bedeuten einen Anreiz für die gesamte Belegschaft, denn eine größere Zahl von Mitarbeitern erhält die Chance, zum Zug zu kommen und sich zu beweisen.
- Indem mehr Mitarbeiter eines Unternehmens Führungserfahrung sammeln – auch zeitlich begrenzte – entsteht mehr Verständnis für die Bedingungen, Chancen und Grenzen einer Führungsaufgabe. Einer Haltung von „die da oben“ und „wir hier unten“ wird der Boden entzogen. Stattdessen werden Weichen gestellt für eine respektvolle und offene Feedbackkultur.
Zwischen dem Wunschbild und der Wirklichkeit heute klafft die Angst vor Versagen, Zurücksetzung und Scham. Wir haben noch einen Weg vor uns, bis wir auf breiter Ebene akzeptieren, dass einem Schritt nach oben einer zurück folgen kann, ganz gleich wie er begründet ist.
Vier Schritte um den Weg zurück zu ebnen
Wie gesagt: Bislang geht der Impuls für eine Veränderung meist vom Vorgesetzten aus, weil die Leistungen einer Führungskraft unterhalb der Erwartungen bleibt. Zu der persönlich empfundenen Scham gesellen sich ein Verlust an Prestige, weniger Einfluss und oft ein vermindertes Entgelt. Wie gut, wenn der kulturelle Wandel in einer Organisation schon eingeleitet ist, bevor die Praxis zum Handeln zwingt.
Von der impulsgebenden Führungskraft ist Fingerspitzengefühl gefragt:
Die Entscheidung vorbereiten
Wenn eine Veränderung notwendig wird, ist es die Aufgabe des Vorgesetzten, das Gespräch zu suchen und ein unmissverständliches Wort zu reden. Das „Was“ kann nicht Gegenstand der Diskussion sein, wohl aber das „Wie“. Im ersten Gespräch ist es unabdingbar, deutlich zu machen, dass das Unternehmen die Führungskraft halten will.
Die Entscheidung öffentlich machen
Sind die Rahmenbedingungen des Wechsels abgestimmt, wird die Entscheidung öffentlich gemacht. In der Regel möchte die Führungskraft selbst mit dem Team reden.
Der oder die Vorgesetzte sollte ihr zur Seite stehen und in einer Ansprache deren Stärken und Leistungen ins Blickfeld rücken. Sie sollte außerdem den neuen Wirkungskreis benennen und erklären, weshalb die zurückgetretene Führungskraft besonders dazu geeignet. Ein wichtiges Element ist ein neuer Jobtitel, der den Kompetenzen Rechnung trägt.
Rücktrittsfeier
Rituale haben ihren Sinn oft darin, eine Phase abzuschließen und eine neue einzuleiten. Vor diesem Hintergrund sollte das Unternehmen zu einer Rücktrittfeier einladen. Am besten bedanken sich Mitarbeiter, Nachfolger und Vorgesetzte je mit einer Ansprache.
Auszeit
Im Anschluss an die Feier bietet sich eine Auszeit an: Die ehemalige Führungskraft gewinnt Zeit, um die Veränderung persönlich zu verarbeiten. Zugleich hat die neue Führungskraft den Freiraum, den sie braucht, um ihre neue Position einzunehmen.
In die neue Rolle finden
Eine Führungskraft, die zurückgestuft wird, erlebt eine schwierige Phase. Sie fühlt sich von ihrem Platz gestoßen und fürchtet die Bewertung durch die Kollegen und Mitarbeiter. Bei Change 4 Success machen wir die Erfahrung, dass das Umfeld meist großzügiger ist als erwartest. Das Gefühl von Zurücksetzung entsteht vielmehr im inneren Monolog.
Bis die ehemalige Führungskraft wieder im Sattel sitzt, braucht es einige Zeit. Rückfragen aus dem Team nach dem „Warum“ müssen kein Zeichen von Kritik sein – auch wenn die Frage oft so aufgefasst wird. Eine weitere Herausforderung liegt darin, die Führungsrolle wirklich aufzugeben. Nach Jahren der Führung ist es gar nicht so einfach, sich zurück zu nehmen. Ehemalige Führungskräfte können ihrem Nachfolger ein- oder zweimal Unterstützung anbieten. Doch sie sollten sich nicht aufdrängen. Der Zug liegt dann nicht mehr bei ihnen.
Quelle: Hermann Arnold: Fahrplan für agile Führung: Karrieresprung nach unten, managerSeminare Heft 230, Mai 2017, Seiten 36 bis 41