Vertrauen: 7 Fakten, die Sie wissen sollten
Fakt 1: Kontrolle ist ein sich selbst verstärkendes System. Kontrolle zieht Kontrolle nach sich.
Im Falle eines Fehlers werden die Daumenschrauben angezogen: Ein neues oder stärkeres Kontrollsystem hält im Unternehmen Einzug – ein fast schon reflexartiges Verhaltensmuster.
Kontrollsysteme kosten Geld. Hier ein extremes Beispiel: In einem deutschen Unternehmen wird geprüft, wie lange Mitarbeiter an ihrem Platz bleiben, während die Kollegen schon außer Haus sind. In dieser Zeit ohne Kontrolle könnten sie betrügerisch handeln. Aus der aufsichtsfreien Zeit und anderen Parametern errechnet das Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mitarbeiter tatsächlich betrügerisch handelt. Selbstverständlich muss ein verdächtiger Mitarbeiter noch intensiver kontrolliert werden ….
Mit jedem neu eingeführten Kontrollsystem wird die Überwachung komplizierter. Denn damit das System seinen Auftrag erfüllt, muss es kontrolliert werden. In den USA soll jeder vierte Job auf das Konto der Überwachung gehen. Was für ein wirtschaftlicher Schub läge darin, diese Ressourcen auf produktive Arbeit zu verwenden!
Eine weitere, negative Folge übertriebener Kontrolle ist der Golem-Effekt: Menschen entwickeln sich schlechter, wenn von vornherein geringe Erwartungen an sie gestellt werden. Geringe Erwartungen sind aber genau die Botschaft eines Kontrollsystems: „Wir kontrollieren dich, weil wir sowieso nicht viel von dir erwarten.“ Nicht selten werden Mitarbeiter genau dann nachlässig oder sie beginnen, zu betrügen.
Fakt 2: Vertrauen fördert und fordert: Menschen wollen beweisen, dass sie Vertrauen verdient haben.
Vertrauen ist ein Freiraum, in dem sich Menschen entwickeln können. Zugleich bedeutet Vertrauen Verpflichtung: Menschen wollen beweisen, dass sie Vertrauen verdient haben (Pygmalion-Effekt). Deshalb entwickeln sich Menschen besser, wenn man ihnen etwas zutraut.
Allerdings lässt sich der Schalter nicht einfach so umlegen: Wenn Teams lange in einer stark kontrollierten und reglementierten Umgebung gelebt haben, sollten Vertrauenssysteme schrittweise eingeführt werden. Führungskräfte sind hier am Zug: Es ist an ihnen, einen Vertrauensvorschuss zu verschenken und Mitarbeitern Schritt für Schritt wirklich wichtige Aufgaben zu übergeben.
Fakt 3: Risiko gehört dazu. Es ist normal.
In einer zu Hundert Prozent sicheren Umgebung ist Vertrauen überflüssig. Vertrauen und Unsicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine Führungskraft, die einem Mitarbeiter eine Aufgabe übergibt, gibt Sicherheit ab. Sie sollte dem Mitarbeiter dennoch nicht ständig auf den Füßen stehen, sondern darauf vertrauen, dass er sich meldet, wenn er Unterstützung braucht.
Enttäuschungen wird es geben, es ist unvermeidlich. Doch es ist ähnlich wie mit einem Kind, dass sich einmal die Finger verbrennen muss, damit es die Gefahren großer Hitze kennt. Menschen entwickeln kein Gespür dafür, wo Vertrauen angebracht ist, wenn sie es nicht versuchen.
Fakt 4: Vertrauen braucht klare Regeln.
Je genauer die Mitarbeiter wissen, nach welchen Regeln Entscheidungen im Unternehmen fallen, umso leichter können sie sich orientieren. Formale und informale Regeln, auf die Mitarbeiter vertrauen können, geben dem Unternehmen Stabilität.
Fakt 5: Vertrauen braucht Konsequenz.
Wo Regeln gebrochen werden, sind Konsequenzen und Sanktionen nötig. Menschen wollen die Gewissheit haben, dass sie sich wehren können, wenn etwas nicht stimmt. Nachvollziehbare konsequente Sanktionen machen den Unterschied zu einem Willkürsystem aus.
Wenn es ernst wird, heißt es: Wahrheit und Klarheit vor Schönheit. Wo Vertrauen missbraucht wird, müssen Führungskräfte eingreifen – sonst gehen alle erwünschten Ziele verloren: gute Zusammenarbeit, blindes Verstehen, schnelle Abstimmung.
Auch bei einem Verstoß ist Fingerspitzengefühl gefragt: Eine kleine Regelübertretung sollte nicht gleich in einer Kündigung enden. Oft empfiehlt sich eine dreistufige Eskalationsroutine nach dem Muster: nach dem ersten Regelverstoß mahnen, beim zweiten mal deutlich die Konsequenzen aufzeigen und beim dritten Mal sanktionieren.
Fakt 6: Vertrauen birgt das Risiko, dass sich der eine auf den anderen verlässt.
In einem gut eingespielten Teams passen sich die Mitglieder bereitwillig an die anderen an. Konstruktive Diskussionen und Auseinandersetzungen verlieren an Boden. Der beste Schutz dagegen sind Diversität und Impulse von außen.
Fakt 7: Vertrauen entbindet nicht von Verantwortung
Auch in einem vertrauensvollen Arbeitsverhältnis haben Führungskräfte die Aufgabe, auf ihre Mitarbeiter zu achten, damit sie sich nicht überfordern und ausbrennen.
Quelle: Vertrauensforschung im Interview, managerSeminare Heft 224